Die Übersetzung aus dem Latein verdanken wir einem pensionierten Lateinlehrer aus Bochum namens Gerhard Jost , der auf den Spuren seines Familiennamens surfend auf unsere Homepage gestoßen ist. Er hat in Münster noch bei eben jenem Professor Jost Trier Germanistik studiert, von dem das oft zitierte Jodok-Buch stammt. Die lateinische Vita des Anonymus finden Sie bei Jost Trier S. 19-33.
Incipit prologus de vita iudoci sacerdotis...
Es beginnt das Vorwort über das Leben des Priesters Judocus.
Hochgeehrte Söhne der Kirche Gottes und geliebteste Brüder in der Liebe Christi, mögen Euch, die Ihr in des ehrwürdigen Vaters Judocus Kloster lebt, ruhmreiches Lob Gottes und ewiges Heil vom Herrn in reichem Maße zuteil werden! Indem ich Eure Bittschrift, Brüder, keineswegs abzuweisen gewillt bin, in der Ihr mich gebeten habt, Leben und Taten des seligen Priesters Judocus nach den Vorgaben Eurer Erzählungen aufzuschreiben, nehme ich sehr furchtsam dieses das gesamte geistige Vermögen meiner geringen Person übersteigende Werk in Angriff, freilich erwägend da ich im Ausdruck wenig gewandt bin, - mit welchem Recht ich die Tugenden eines so bedeutenden Mannes darzulegen beginne. Doch wenn wir die berühmten Taten heiliger Väter wieder vor Augen führen, vertrauen wir darauf, ohne Zweifel durch ihren Schutz gestärkt zu werden. Daher halten wir es auch für würdig, um die ehrenvollen Verdienste dieses heiligen Vaters in gemeinsamer Verehrung zu bitten, da ja unsere dürftige**** Ausdrucksweise, unter seiner Obhut gestärkt, je länger sie an die Darlegung seiner Tugenden sich anpassen wird, sie gewiss umso wendiger und leichter in die Aufzeichnung seiner guten Taten kraftvoll Eingang findet. Das gewähre gnädig auf die Fürsprache eben dieses seines Heiligen unser Herr Jesus Christus selbst, dem mit dem Vater und dem Heiligen Geist gehört Ruhm und Herrschaft, Ehre und Macht in alle Ewigkeit. Amen.
Als dies schließlich geschehen war, erbat der ehrwürdige Diener Gottes von Herzog Haymo die Erlaubnis, nach Rom zu pilgern, weil er nämlich wünschte, kostbare Patrocinien (= beschützende Reliquien) sehr vieler Heiligen, wenn er von dort zurückkehren werde, mitzubringen. Also verließ er jenen Ort und machte sich eilig auf zu den Gräbern der heiligen Apostel. Als er dorthin gelangt war, hatte er die Gelübde seiner Sehnsucht vor Gott würdige und willkommene erfüllt.
Es geschah aber (folgendes), als er, viele Reliquien von Heiligen mitbringend, hierher zurückkam, eilte er sogleich zu dem vorher genannten Ort in der Einsamkeit, wo er, wie es oben schon erwähnt ist, zwei Kapellen erbaut hatte. Nun gab es ein Mädchen, von Geburt blind, das in einem derselben Einsiedelei benachbarten Dorf mit seinem Vater wohnte, die am Tag, bevor der Diener Christi Judocus zurückkehren sollte, ein Traumgesicht im Schlaf hatte, das sie frühmorgens ihrem Vater mitteilte, und sie sagte: Mein Vater. Und er darauf: Was, sagte er, willst du, meine Tochter? Jene aber sagte: Ein Diener Gottes wird in der kommenden Nacht zu einem nicht weit von hier gelegenen Berg kommen; wenn ich zu ihm, so wie ich es in der Erscheinung dieser Nacht gelernt habe, mit gläubigem Vertrauen hingehe, werde ich ohne Zweifel durch die Barmherzigkeit des Herrn ein neues Augenlicht erhalten. Wenn ich nämlich von dem Wasser, in dem der Streiter Christi seine Hände gewaschen hat, irgendwie meine Augen berühren kann und über mein Gesicht bringen kann, wird, so glaube ich, sofort meine Gesundheit zurückkehren. Also ließ sich das Mädchen, das vom Tag seiner Geburt an blind gewesen war, mit ihrem Vater zu dem Mann Gottes Judocus hinführen, und als sie von dem Wasser ihr Gesicht gewaschen hatte, wo eben dieser Priester des Herrn sich gewaschen hatte, spürte sie sofort, dass ihr vom Herrn auf Grund der Verdienste des heiligen Mannes ganz neue Sehkraft, wie sie es geglaubt hatte, geschenkt wurde.
Dort war nun ein Holzkreuz aufgestellt worden, nämlich zur Erinnerung an dieses Wunder, das Gott der Herr durch seinen Diener Judocus hat geschehen lassen wollen. Dieses Kreuz ist, an einen anderen Ort geschafft, bis heute erhalten, nämlich im Kloster des Heiligen selbst. Derselbe Ort jedoch, an dem es früher aufgestellt war, wird bis in die Gegenwart "Kreuz" genannt.
Als aber Haymo hörte, dass der Mann Gottes zurückgekehrt sei, freute er sich riesig und aufspringend eilte er ihm entgegen und empfing ihn ehrenvoll. Er hatte nämlich damals schon eine neue Kirche aus Felssteinen errichten lassen, die sogleich, nachdem der Diener Gottes, von Rom kommend, viele Patrocinien in diese hineingebracht hatte, zu Ehren des heiligen Martinus geweiht wurde. In eben diesem kleinen Kloster blieben sie damals drei Tage.
In der Folgezeit übertrug Haymo, weil er ein angesehener Mann war, zumal er auch über viele Besitzungen verfügte, diesen Ort mit seinen zugehörigen Besitzungen dem heiligen Judocus zur Nutzung. Als diese Dinge so entschieden waren, brach Haymo, ein Mann von scharfem Verstand, zusammen mit dem heiligen Diener Gottes Judocus auf und kam zu einem Gutshof aus seinem Besitz mit Namen Locum (=Loe). Auch diesen übertrug er sogleich mit allem, was dazugehörte, auf das Kloster des heiligen Judocus, indem er eine Schenkung machte. Nachdem also diese Übergabe durchgeführt war, hatte der zutiefst christliche Mann Jucdocus in diesem kleinen Kloster von da an bis zu seinem Tode viele Jahre gelebt.
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