(Die Bilder zu den Lebensstationen sind dem ursprünglich 30-teiligen Bilderzyklus in Blatten/Schweiz entnommen.)
Schon Jost Trier weist in seinem Buch darauf hin, dass wir der Chronologie des Anonymus keinen historischen Wert beimessen dürfen. Solche Lebensgeschichten sind, erst recht im Abstand von 150-200 Jahren, nicht nach heutigen wissenschaftlichen Kriterien, sondern nach religiösen Mustern und Modellen verfasst worden. So wissen wir weder das genaue Jahr seiner Geburt, noch das genaue Todesjahr. Das Jahr 669 beruht eigentlich auf einer gemeinsamen Übereinkunft.
Bevor wir die Lebensgeschichte Jodoks in der Bretagne beginnen und in der Picardie beschließen, müssen wir einen Sprung hinüber nach England machen. Von dort kommen seine Vorfahren. Unfreiwillig. Die Insel-Kelten, die im Süden Englands leben, werden im 5. und 6. Jh. durch die Einfälle der Angeln und Sachsen vom Osten her immer weiter in den Südwesten der Insel zusammengedrängt. Als die Enge in Dumnonia, dem heutigen Devon und Cornwall, immer drückender wird, bleibt ihnen schließlich keine andere Möglichkeit, als auf dem gegenüberliegenden Festland sich eine neue Heimat zu suchen.
. Es sind einzelne Clans oder Stämme ("plou") der Kelten, die sich auf den Weg machen; an ihrer Spitze jeweils ein "princeps plebis", ein "dux/Führer", der zugleich Richter und Heerführer ist. Diese Aus-, bzw Einwanderung über einen Zeitraum von 200 Jahren ist etwa Mitte des 5. Jh. abgeschlossen. Der spärlichen romanisch-keltischen Bevölkerung sind sie an Zahl und Kultur überlegen. Das zeigt sich daran, dass sie ihre Namen, ihre Sprache, ihre Staatsform, ihre Religion und ihre (auf dem Mönchtum aufgebaute) Kirchenverfassung auf das Festland mitbringen. So nennen sie ihre neue Heimat "Britannia minor" = Bretagne in Abhebung zum ursprünglichen Britannia Major. Sie kamen aus der Dumnonia (etwa Cornwall und Devon) und nennen das neue Land ebenfalls Dumnonia. Die küstennahe Region erhält den Namen l'Ar Mor (Land des Meeres: Armorica; heute l'Amor), das innere Hochland l'Ar Coat (Land des Waldes; heute: l'Argoat). Rom spielt noch keine Rolle.
Sie leben zunächst in gegenseitiger Selbstständigkeit nebeneinander wie schon auf der Insel. Im Lauf der Zeit scheint sich eine monarchische Zusammenfassung aller Dumnonier unter einem "dux"/Führer, "comes"/(Begleiter) oder "rex"/König herausgebildet zu haben, der die Herrschaft an den Erstgeborenen weitervererbt. Die Namen der Regenten (duc) sind bekannt. 585 ist Judhael (auch Juthael, Iudual, Iudwal), der Vater Jodoks an der Reihe und wird damit Regent und König der Dumnonier. Unter ihm scheinen alle Dumnonier bereits monarchisch vereinigt gewesen zu sein.